Um 08.15 bin ich aufgestanden. Inzwischen habe ich meine zweite Kanne Kaffee gekocht und sitze nun vor dem PC.
Gleich bereite ich mich etwas auf mein Vorstellungsgespräch vor, indem ich meinen Lebenslauf öffne und mir im Internet einige Vorstellungsgesprächstipps nachlese. Außerdem möchte ich ein paar Infos über die Firma einholen.
Damit meine Nervosität nicht ins Unermessliche steigt, behalte ich mir im Hinterkopf, dass es sich heute im schlimmsten Fall "nur" um ein Übungsgespräch handelt. Diese Art von Gesprächsführung liegt grundsätzlich nicht in meinem Naturell. Ich mag es nicht mich auf diese Art und Weise zu "präsentieren". Da solch ein Gespräch der Höhepunkt einer Bewerbung zu seinen scheint, werde ich mich daran gewöhnen müssen.
Mittags ziehe ich meinen Anzug + Krawatte an, denn im Zweifel ist es besser lieber etwas zu chic auszusehen als zu schlumpig.
Gegen 13.30 steige ich in die U-Bahn und muss zwei Mal umsteigen, damit ich mein Fahrziel erreiche. In Berlin sind die Wege weit und Fahrzeiten von über eine Stunde keine Seltenheit.
Während der kommenden Tage schreibe ich weitere Bewerbungen, denn eigentlich ist mein Ziel eine, wenn möglich unbefristete, Vollzeitstelle zu ergattern:-)
Update
Nachfolgend werden keine Namen genannt!
Das Vorstellungsgespräch war ein voller Reinfall! Das lag nicht an mir, sondern an dem zweifelhaften Auftreten das "Arbeitgebers".
Als ich das Klingelschild gelesen hatte, wunderte ich mich darüber, dass auf diesem Schild eine andere Bezeichnung des Büros stand wie in der Stellenanzeige. Plötzlich tauchte eine Firmenabkürzung auf, in der Stellenanzeige stand etwas anderes geschrieben.
Im Büro angekommen, musste ich einen Bewerberzettel ausfüllen. Neben mir saß ein weiterer Bewerber, der vor mir das Gespräch hatte. Ich nutzte die Zeit und begutachtete die Poster und Urkunden im Flur, auf denen Mitarbeiter mit tollen Verkaufserfolgen gelobt wurden. Das es sich um eine Versicherungsagentur handelte, konnte man aus der Stellenbeschreibung erahnen. Dennoch hatte ich im Hinterkopf, das ich mich als Bürogehilfe beworben hatte.
Wenige Minuten später wurde ich vom "Agenturleiter" freundlich empfangen. Mir wurde das "Unternehmen" mit seinen Aufgaben vorgestellt. Meinem Bewerberzettel wurde nur ein kurzer Blick gewürdigt, dann landete er auf dem Stapel mit anderen Bewerbern. Ich wunderte mich. Warum fülle ich den Zettel aus, wenn er im Gespräch keine Rolle spielt?
Nun kam mein Auftritt. Ich erzählte von meinem knapp gescheiterten Studium. Plötzlich war er voll des Lobes und sagte mir, sinngemäß, dass ich für einen Bürogehilfen überqualifiziert sei. Ich betonte, dass ich mich aber auf diese Stelle beworben hatte. Er wollte mein EGO aufbauen und meinte, warum ich nicht mehr Geld verdienen wolle. Bei "Geld verdienen" wurde ich hellhörig und bei diesem Vokabular gingen bei mir alle Alarmglocken an, denn ich erahnte nun, worum es meiner Meinung nach wirklich ging: Es wurden neue Verkäufer/Vertreter oder Ähnliches gesucht!
Ich kenne diese Wortwahl und "Maschen" aus meinem damaligen Bekanntenkreis, die Versicherungen verkauft hatten. Ich teilte ihm deutlich mit, dass ich für den Vertrieb nicht geeignet bin und das ich mich für eine Stelle als Bürogehilfe beworben hatte.
Der Bürogehilfe (geringfügige Beschäftigung) war plötzlich gar nicht mehr Thema. Um meine Bestätigung entgültig zu erhalten, lockte ich ihn aus der Reserve: "Was ist denn ihr Angebot?" fragte ich. Er teilte mir ganz klar mit, dass es nur ein Angebot auf Honorarbasis bei einer Art selbstständiger Tätigkeit gebe.
Ich kenne dieses "Vertreterprinzip". Man bekommt nur Geld, wenn man VERKAUFT. Das kann dahin führen, das starker Druck auf die Verkäufer/Vertreter ausgeübt wird, wenn Vorgaben nicht erfüllt werden. Man ist finanziell voll in der Hand des Unternehmens.
Das Vertrauen war gebrochen:
1. Es wurde mehrmals versucht mir die Bürostelle, für dich ich mich beworben hatte, "auszureden". Diese Stelle spielte am Ende des Gespräches gar keine Rolle mehr. Allein das weckte massive Zweifel in mir.
2. Ich habe mich nicht für eine selbstständige Tätigkeit auf Honorabasis beworben. Doch es wurde versucht mir diese Tätigkeit verbal "aufzudrängen".
3. Die ganze Vorgehnsweise erweckte in mir den Verdacht, dass mit irgendwelchen Stellen "gelockt" werden sollte. Die wenigsten Arbeitssuchenden würden sich auf eine Stellenanzeige als Vertreter auf Honorabasis bewerben.
4. Scheint der Druck, neue Mitarbeiter zu rekrutieren, in diesem "Unternehmen" groß zu sein. Warum sonst spielen sie nicht in der Stellenbeschreibung mit offenen Karten, sondern versuchen mit einer wenig vertrauenswürdigen Methode an neue Mitarbeiter zu kommen?
5. Warum versteckt eine Firma ihren eigentlichen Namen in der Stellenanzeige hinter einer allgemeinen Floskel? Etwa, weil es sich bei den Agenturen um selbständige Handelsvertreter handelt, die noch nicht sagen wollen, für wen sie arbeiten?
Am Ende des Gespräches übergab er mir eine Visitenkarte. Auf dieser Karte standen völlig neue Bereiche, für die dieser Mann "vermittelt". Ein Wunder, das er nicht noch Eisverkäufer war!
All das hat mein Vertrauen in diese Firma nachhaltig zerstört. Wir haben uns freundlich verabschiedet, bevor ich gegangen bin.
PS: Ich lese gerade im Internet viele Berichte von anderen "Betroffenen", die ähnliche Bewerbungserfahrungen mit diesem Unternehmen gemacht haben und das Vorgehen für unseriös halten. Die Produkte seien wohl seriös, die Art und Weise der Mitarbeiterbeschaffungsmethoden nicht seriös.
Auch ein Internetbeitrag einer großen Verbraucherzeitung warnt vor diesen Methoden des Unternehmens, in dem ich heute vorstellig war!!! Manchen Bewerbern soll sogar nahegelegt worden sein, Geld zu investieren, in der Hoffnung ihre Bewerbungschancen zu steigern. Es werde zudem mit schwammig formulierten Stellenanzeigen geworben, um Bewerber in dieses Vertriebssystem zu locken. Diese Stellenanzeigen würden überwiegend von Handelsvertretern verfasst.